Grandiose Sololeistung von Verena Buss im Phönix Theater Steckborn
(jo) «Babettes Fest» – eigentlich erweckt der Titel unwillkürlich
so etwas wie ein Hauch von Weihnachten. Kerzenleuchter,
brennende Kerzen stehen auf einem grossen Tisch bereit, einige
Stühle rundherum. Am Ende sitzt Verena Buss, etwas zusammengekauert.
Sie erhebt sich; das Spiel beginnt. Aber es ist kein
Hauch von Weihnachten, von Fest ja – aber es wird ein Fest sein,
ein ganz persönliches Fest der Babette, das niemand so erwarten
konnte. Tania Blixen hat mit Babettes Fest, wie es heisst ein
«lukullisches Märchen» geschaffen, das schnell gefangen
nimmt. Und es ist die schauspielerische Kunst Verna Busses, die
diesem Werk seine Kraft und Bedeutung verleiht. Also doch ein
Stück Weihnachten? Und auch das: Tania Blixen (1885–1962)
hat mit diesem «Märchen» Weltruhm erlangt, der noch immer
besteht.
Die Geschichte
Babette, die französische Köchin, flieht aus den Wirren
Frankreichs und es verschlägt sie nach Norwegen, in ein kleines
jütländisches Fischerdorf. Meisterköchin, aber sie stellt sich in
dem Haus des Dorfprobstes als einfache Bedienstete vor, bescheiden,
unauffällig. Die beiden Töchter des Probstes, Martina
und Philippa, gelten als sehr schöne junge Frauen, die aber vom
Vater so an sich gebunden wurden, dass sie nicht wagen, ein
selbstständiges Leben zu führen und eine Verbindung zu einem
Mann einzugehen. Nach dem Tod des Vaters übernehmen sie
den Haushalt und sorgen für den Zusammenhalt in der Gemeinde.
Um 1872 kommt Babette in das Haus, wird aufgenommen
und soll die Küchenarbeit übernehmen. Vor allem: lernen, wie
Stockfisch zubereitet wird oder wie Brotsuppe richtig gekocht
wird. Sie bewährt sich, gibt aber ihre Identität nicht preis. Langsam
aber sicher wird den Schwestern klar, dass die Mahlzeiten
besser schmecken, aber die Ausgaben geringer geworden sind.
Menschen durch Kunst glücklich machen
Die Jahre vergehen, bis sich das Schicksal wendet: Babette
gewinnt in einer Lotterie 10 000 Francs. Und könnte nun in ihre
Heimat zurück – aber sie bittet darum, ein Festessen zum 100.
Geburtstag des Propstes auszurichten, die Bezahlung wolle sie
übernehmen. Alle Zutaten werden aus Paris eingeführt. Zwölf
Personen sind eingeladen, darunter ist auch der ehemalige Verehrer
Martinas, Lorens Löwenhjelm, jetzt zum General befördert.
Dieser erinnert sich dunkel an ein vor vielen Jahren erlebtes
Festessen in Paris – und das sei sogar von einer Frau zubereitet
worden. Niemand kommt auf die Idee, dass es Babette letztlich
war, aber alle wollen aus pietistischen Gründen das Essen nicht
loben. Das jedoch gelingt nicht – Essen und Wein sind einfach
zu verführerisch. Aber auch teuer: die 10 000 Franc sind aufgebraucht.
Babette bittet darum, wieder als einfache Bedienstete
bleiben zu können. Die Schwestern reagieren entsetzt: Nun sei
sie ja wieder arm. Doch Babette spricht aus, was Höhepunkt des
«Märchens» ist: «Eine Künstlerin ist niemals arm.» Sie habe
Menschen durch ihre Kunst glücklich gemacht und eines Tages
werde sie das «Entzücken für die Engel sein.» Also doch ein
bisschen Weihnachten?
Tolle Leistung
Ein schwieriges Stück für eine Solo-Darstellung und das über
fast 80 Minuten. Aber Verena Buss gelingt es durch ihr hohes
schauspielerisches Können, alle Personen des Märchens lebendig
und überzeugend darzustellen. Sie kann sich vor Lachen ausschütten,
liest aus alten Tagebüchern vor, zwei nebeneinander
gestellte Stühle symbolisieren die beiden Schwestern, die sie so
zu ihren Ansprechspartnerinnen macht. Oder auch wenn sie in
eine einfache Uniform schlüpft und Erinnerungen an die Jugend
wach werden lässt, die nachdenklich machen. Eine einfache umgebundene
Schürze macht sie zur Köchin Babette. Ihr Spiel
überzeugt durch ihre Intensität, wirkt aber nicht übertrieben,
sondern stimmig. Einmal erhält sie sogar auch Beifall auf offener
Bühne. Insgesamt eine Leistung, die selbst zum Nachdenken
einlädt: Wie haben oder gestalten wir unser Leben? Welche Erinnerungen
werden (wieder) wach?