< Pressestimmen: Die Hose

Abgründe und herausragende Frauengestalten

Das Förnbacher Theater spielt zum Saisonauftakt im Badischen Bahnhof in Basel Schillers "Maria Stuart" und Sternheims "Die Hose".

In die heuchlerische Welt der Kleinbürger führt das Lustspiel "Die Hose" von Carl Sternheim im Förnbacher Theater im Badischen Bahnhof Basel. Der Raum, den Regisseurin Verena Buss für diese Gesellschaftssatire von 1911 entworfen hat, ist spärlich möbliert. Ein Tisch, zwei Stühle, ein altes Bett, ein Teppich, eine Leiter und weisse Grenzlinien auf dem Boden unterstreichen optisch das, was in diesem Skandalstück schonungslos demaskiert wird: die Zwänge und Enge des bourgeoisen Lebens.

Buss inszeniert das Sittengemälde aus der Wilhelminischen Zeit im schlicht ausgestatteten Bühnenraum insofern modern, als sie durch eingeblendete Fotoprojektionen Assoziationen schafft. Historische Bilder aus der Epoche Kaiser Wilhelms, heutige Reihenhäuser, ein angebissener Apfel, ein Frauenfuss, ein expressionistisches Porträt des Autors Sternheim liefern die Kulisse für diese Szenen einer Ehe. In Buss‘ unverwechselbarer Regiehandschrift, die auf vieldeutige Bilder und Anspielungen setzt, kommt die Studie über Doppelmoral, Spiessbürgertum und Prüderie in beissender Schärfe rüber. Die Figuren in den zeitlosen Kostümen von Regina Potocki sind psychologisch klar gezeichnet. Gross spielt Matthias Klausener als tyrannischer Beamter Theobald Maske auf. Kristina Malyseva als Gattin Luise, die wegen einer verrutschten Damenunterhose einen Eklat auslöst, strahlt etwas Träumerisches und eine verführerische Sinnlichkeit aus. In den Rollen der Untermieter, die um die Gunst der jungen Frau buhlen, agieren Lothar Hohmann als geckenhafter Dichter in Hochwasserhosen und Fabian Horn als schwärmerischer Barbier und glühender Wagner-Verehrer. Unterdrückte Begierden kommen zum Vorschein, wenn Luise wie eine aufreizende Traumvision erscheint oder Hausherr Maske die Nachbarin (Kristina Nel als ältliche Jungfer mit Dutt) bedrängt. Da tun sich Abgründe hinter der Maske der Gutbürgerlichkeit auf.

Von Roswitha Frey (Badische Zeitung)