Friedrich Schillers «Maria Stuart» im Förnbacher-Theater
Basel. Ein goldfarbenes Podest, ein Sessel in rotem Samt, klug eingesetztes Licht - aus der Bühne im Badischen Bahnhof wird ein Thronsaal. Stellt man das Podest auf, wird es zur Wand anderer Räume, im Palast zu Westminster oder im Schloss Fotheringhay; die Öffnung des Seitenvorhangs und ein blauer, mit Wolken bemalter Hintergrundprospekt machen den Raum zum Park, ein Stück roter Vorhang lässt das Schafott ahnen. Friedrich Schillers Tragödie über die schottische Königin Maria Stuart, die als Katholikin und Rivalin Königin Elisabeths I. von England 1587 hingerichtet wurde, wird in der verschlankten Fassung. und unter Regie von Helmut Förnbacher zum Kammerspiel. Konzise Dialoge beleuchten egoistische Lebenshaltungen.
Erotisch verblendet
Der Abend beginnt mit der Einspielung des Liedes «Rule, Britannia», wie es jeweils in der Londoner Albert Hall an der Last Night of the Proms aufgeführt wird, mit Gelächter und Mitsingen des Publikums. Das weckt Erwartungen auf Ironie, ebenso wie die umständliche Komik des Staatssekretärs Davison (Percy von Tomei), der zu Füssen der Queen eine Rose drapiert, wenn der französische Gesandte die Werbung seines Königs um Elisabeth erfolglos überbringt. Förnbacher hat diese Szene aus dem zweiten Akt an den Anfang gesetzt und erreicht so die rasche und effektvolle Einführung der berechnenden Königin, die auch - entgegen dem Original - das letzte Wort im Drama haben wird. Aber was folgt, ist nicht Satire oder eine dem Text übergestülpte, unserer Zeit angepasste Geschichte, sondern Schiller pur - trotz der Kürzungen, denen viele poetische, historisch-mythische Verse zum Opfer fallen. Dadurch werden die Figuren ein wenig eindimensional. Umso überraschender ist es, wenn sie aus ihrer Selbstkontrolle ausbrechen - wenn etwa der politisch wie erotisch verblendete Mortimer über seine angebetete Maria herfällt, oder wenn Maria gegenüber der Königin ihre Mässigung vergisst. Dora Balog war in der Premiere vom Dienstag als Maria oft noch zu mädchenhaft-harmlos in einer Opferrolle. Kristina Nels Elisabeth dagegen beherrscht die Szene, eiskalt, Anflüge von Mitleid sind nichts als Taktik- eine kluge Frau zum Fürchten. Matthias Klausener überzeugt als Burleigh, der angeblich für die Staatsraison, in Wahrheit für eigene Ziele schreit und heimtückische Fäden zieht. Mortimer ist ein schillerscher Feuerkopf, und Falk Döhler spielt ihn auch so, schnell, ein wenig irr, akrobatisch. Brigitta Laube findet als Marias Amme fürsorgliche Töne. Dieter Mainka strahlt als Sir Paulet ebenso wie in seinem kurzen Priesterauftritt Ruhe und Besonnenheit aus.
Heillos verstrickt
Helmut Förnbacher ist der in seiner Lage zwischen den Frauen heillos verstrickte Leicester, der sich am Ende «zu Schiff nach Frankreich» aus dem Staube macht. Marcel Zehnder amüsiert als Gesandter Aubespine mit französischem Akzent. Wirklich packend wird es, wenn das Gerangel um Macht und Gesichtswahrung entlarvt wird, Königin und Minister sich gegenseitig oder der angeblichen Meinung des Volkes die Verantwortung für das Todesurteil über Maria Stuart zuschanzen. Damit sind wir nun doch in der heutigen Zeit angekommen, aus dem originalen Text heraus und dank moderner Kostüme: Die Herren im Smoking, die Königin im blendend weissen Hosenanzug - sie könnte auch eine Konzernchefin sein.
Von Thomas Waldmann