< Pressestimmen: Arsen & Spitzenhäubchen

Teuflisch liebenswürdig

                                      

Zwei alte Tanten tanzen nicht nur Tango (wie bei Georg Kreisler), sondern morden fröhlich wie in der schwarzen Kriminalkomödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ von Joseph Kesselring. Sie gehören zur verrückten Familie Brewster, heißen Abby und Martha und haben einen tollen Komplizen, ihren Neffen Teddy, einen liebenswerten Irren, der sich für Mr. President (Roosevelt) hält und auf der Trompete zur Attacke bläst.

Es ist wirklich eine noch immer herrliche Kultkomödie, bei der existenzielle Probleme wie ein Dutzend Männerleichen elegant gelöst werden: im Keller. Nein, will sagen: im Panamakanal. Denn der verrückte Teddy verscharrt sie in der Fahrrinne, die er beständig mit dem Spaten aushebt. Teddy ist eine wunderbare Nebenfigur, in manchen Inszenierungen wird sie prominenter herausgestellt.

Sveno Walder im staatstragenden präsidialen Anzug oder im Safarilook mit Tropenhelm hat im Basler Förnbacher Theater wirksame Auftritte auf der grossen geschwungenen Treppe, die Helmut Förnbacher für diese Inszenierung in der Theaterhalle im Badischen Bahnhof Basel reaktiviert hat. Bei den beiden reizenden Tantchen mit ihrem tödlichen Holunderwein zeigt sich, dass stille Wasser ganz schön tief sein können. Kristina Nel als Abby, ausstaffiert mit Schleifenbluse, Dutt und Schmetterlingsbrille, gibt sich geziert, Suzanne Thommen als Martha mit tüteligem Alte-Damen-Gehabe. Beide wirken teuflisch liebenswürdig, wenn sie sich den Anstrich von Mildtätigkeit und Nächstenliebe geben, so nett über ihre „Gentlemen“ reden und der Ansicht sind, mit ihrem Arsen-Zyankali-Strychnin–Cocktail aktive Sterbehilfe zu leisten.

Ursprünglich war „Arsen und Spitzenhäubchen“ als Thriller gedacht, aber das Publikum verfiel zu sehr in Gelächter, und so ist es seither ein Lustspiel, vielleicht auch eine Krimifarce mit viel schwarzem Humor, reichlich Situationskomik und funkelndem Dialogwitz. Bei Förnbacher (Regie) überwiegt der komödiantische Anteil, es geht temporeich zu. Alle Charaktere sind gut dargestellt, vor allem zwei Darsteller reissen viel raus und mit: Das sind Falk Döhler in der Superrolle als Mortimer, der einzige Nicht-Irre unter den Brewsters, der es mit seinem kriminellen Bruder Jonathan, herrlich gemimt von Lothar Hohmann als Wiedergeburt von Frankenstein mit Schramme im Gesicht (Kompliment an die Maske!) und den (gift-)mörderischen Tanten zu tun bekommt. Döhlers Gesicht hat unglaublich viel mimischen Ausdruck, und wenn er über den Tisch hechtet und die Spitzendecke mitzieht, entgeistert in die Truhe mit den leblosen Gentlemen blickt oder auf dem Stuhl gefesselt und geknebelt wird, dann ist das ein äusserst lebendiges und körperbetontes Spiel, das grossen Spass macht.

Auch Hohmann kostet seine Rolle als Psychopath und gefährlicher Mörder mit Spritze, Zange, Säge und Revolver effektsicher aus. Da ist Schluss mit dem friedlichen Brooklyn, zumal die ein- und ausgehende Polizei sich ziemlich dusselig anstellt und Sergeant O’Hara (Markus Heiniger in einer Travestierolle) nicht in der Realität lebt, sondern sich ganz in die Theaterwelt versteigt.

Mehrere Figuren verkörpert Percy von Tomei, wieder einmal einen Pastor und einen der älteren einsamen Herren, die den vergifteten Trank verkosten. Es ist also schon der totale Horror, was in diesem Haus (und in dieser Inszenierung) geschieht: Bulle in der Küche, Tote in der Kiste, überfüllter Friedhof im Keller und dazu Mozarts Kleine Nachtmusik, die fatal-famos der Titelmelodie der „Miss Marple“-Filme ähnelt.

Schaurig-lustig das Ganze, bis hin zum letzten Glas Holunderwein mit einer Prise Arsen, das dem Heimleiter Mr. Witherspoon kredenzt wird. Eine Schlusspointe, die Helmut Förnbacher in dieser kleinen Rolle süffig-süffisant auskostet...  

Von Jürgen Scharf