Förnbacher Theater Basel spielt: "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand"
Ein Fensterrahmen hängt im leeren Bühnenraum. Durch die Öffnung klettert ein alter Mann, weißhaarig, Hausschlappen an den Füßen, ein Sparschwein in der Hand. Es ist Allan Karlsson, Titelheld des Bestsellers "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand". Auf der Bühne der Theaterhalle im Badischen Bahnhof Basel werden die skurrilen Figuren aus dem Roman von Jonas Jonasson lebendig. In Schweizer Erstaufführung gelingt der Helmut Förnbacher Theater Company das Kunststück, aus dieser Mischung aus Schelmenroman, Kriminal-Geschichte und Road Movie ein hinreißendes Theaterstück zu machen.
Eigentlich ein schier unmögliches Unterfangen, die personenreiche aberwitzige Geschichte um Karlsson, der an seinem 100. Geburtstag zu einer abenteuerlichen Flucht aus dem Altersheim startet und ganz Schweden in Atem hält, in zweieinhalb Theaterstunden zu bändigen. Regisseurin Sandra Rudin Förnbacher schafft das in dieser Bühnenfassung von Axel Schneider mit viel Witz, einfallsreichen Szenen und bildstarken Videos. Alles ist in dieser multimedialen Inszenierung in Bewegung, die Personen und die am Auge vorüberziehenden schwedischen Landschaften. Immer wieder blendet die Regisseurin auf die Stationen der irrwitzigen Odyssee, projiziert Landkarten oder Hintergrundbilder mit schmucken schwedischen Häusern.
Wohltuend sparsam stattet sie die Bühne mit Holzmöbeln aus und lässt den Protagonisten viel Raum, die blitzschnell wechselnden Schauplätze, Episoden und Erinnerungen auszukosten. Acht Darsteller spielen 50 Rollen und es gehört zum Regiekonzept, dass sie auf offener Bühne die Kostüme wechseln. Nur einer verkörpert durchgängig eine einzige Figur: Jupp Saile in der Titelrolle. Man könnte sich keinen idealeren Schauspieler für diesen liebenswürdigen, eigensinnigen Charakter denken, denn Saile strahlt so viel gelassene Lebensklugheit, hintersinnigen Schalk, Selbstironie und trocken-lakonischen Humor aus, dass das wunderbar zu diesem Eigenbrötler Allan passt.
Das fängt schon an, als er am Bahnhof an einen roten Rollkoffer mit 50 Millionen Kronen gerät, den er fortan ständig hinter sich her zieht. Dummerweise gehört die Beute einer Gangsterbande, die sich auf die Fersen des Flüchtenden setzt. Vom Theaterbalkon herab schaltet sich Parade-Bösewicht Percy von Tomei als cooler, fieser Gangsterboss Piranha ein. Auch ein Kommissar (Marcel Zehnder) auf dem Fahrrad ist hinter dem verschwundenen Greis her.
Der Gesuchte findet Unterschlupf bei dem von Matthias Zelazko sympathisch-locker und jovial gespielten Dieb Julius, der mit Elchfleisch und Schnaps handelt. "Ein Frühstück ohne Haferbrei, dass ich das noch erleben darf", freut sich der ausgebüxte Allan diebisch. Als weiterer Weggefährte kommt der von Lothar Hohmann agil gespielte Imbissbudenbesitzer Benny dazu, der die beiden in seinem Fahrrad-Taxi kutschiert. Irgendwann landen die Drei im Hof von Gunilla, der "schönen Frau", die eine Elefantendame namens Sonja im Stall beherbergt. Brigitta Laube spielt quirlig und lebensfroh die reizende Gunilla, die die Fremden auf ihrem Hof unterbringt. Bald sitzen sie vertraut auf Schaukelstühlen und Allan erinnert sich an sein bewegtes Leben, das die welt- und gesellschaftspolitischen Ereignisse eines Jahrhunderts reflektiert.
Als junger Allan tritt Falk Döhler auf. Er verkörpert mit nassforschem Abenteuerdrang und sorglosem Gemüt den Schweden, der nichts von Politik hält, aber dennoch ständig als Sprengstoff-Experte in weltpolitische Geschehnisse und Konflikte verwickelt wird. So Mal im Himalaya, mal im U-Boot, mal im russischen Arbeitslager zusammen mit dem fiktiven Bruder von Einstein schafft es der junge Allan, in letzter Minute aus ausweglosen Situationen herauszukommen: "Es ist doch nicht zu fassen, was ich immer für ein Schwein habe", sagt Döhler. Es kommt, wie es kommt, ist auch die Lebensdevise des alten Allan, der sich in der Schlussszene mit seinen neuen Freunden nach Bali absetzt: ein starkes Schlussbild!
von Roswitha Frey