Eine One-Woman-Show, packend und brillant gespielt von Kristina Nel
Das Leben ist im Grossen und Ganzen wunderbar für «Sie»: Hausfrau, Mutter, so um die Vierzig. Sie: «Alle Frauen von einem bestimmten Alter an sind so um die Vierzig- entweder von Links oder Rechts.» Ihr Leben ist nicht wahnsinnig aufregend, aber es verläuft in wohlvertrauten Bahnen: Der Mann arbeitet hart und viel, die Eigentumswohnung ist nett und die Lebensversicherung einbezahlt.
Sie bekocht ihn und hat Verständnis, wenn er wegen Sitzungen später nach Hause kommt und sich der Dialog auf «N‘Abend, Schatz; was gibt‘s zum Essen?» beschränkt. Den siebenjährigen Sohn betreut sie liebevoll. Natürlich ist die Beziehung nach zehn Jahren nicht mehr so prickelnd wie am Anfang - aber von «Ihr» aus, könnte es so weitergehen. Denn seinen Bauch und seine zunehmende Wortlosigkeit nimmt sie in Kauf. «Sie» denkt nach: «Wir wollten zusammen die Welt verändern, Hand in Hand - und nicht spiessig werden. Und was sind wir geworden? Spiessig.» Plötzlich aber wird er lebendig - will Sport treiben, Diät machen und kauft sich edle Leinen-Klamotten. Es dauert einige Wochen, bis «Sie» es merkt, dann jedoch fällt es ihr wie Schuppen von den Augen: Ihr Mann hat eine Geliebte.
Frauen - und Männer Klischees werden persifliert - sind wahr und köstlich ausgespielt. Geschrieben haben «Männer und andere Irrtümer» - im Original «Le Démon du Midi» - die Französinnen Michèle Bernier und Marie-Pascal Osterrieth 1999. Seitdem ist diese «One-Woman-Show ein Grosserfolg auf den europäischen Theaterbühnen. Es ist die weibliche Antwort auf «Caveman - Ich jagen, du sammeln». Was gezeigt wird. lässt das Publikum oft lachen - auch wenn die Aussage mehr als traurig ist. Anfangs irritiert und von Selbstmitleid gelähmt beginnt «Sie» neue Freiheiten zu entdecken - die nicht wirklich vorhanden sind: Sie will sich auch einen Geliebten suchen, aber wo? Im Supermarkt? Bei Obi? Ehemalige Lover? Oder mal den Nachbarn anbaggern, der seit Jahren schon versucht, bei ihr zu landen? So einfach ist es eben nicht.
KRISTINA NEL ist in einer Parade-Rolle als wütend-traurige Furie. Sie spielt 25 verschiedene Personen, und keine Minute hängt durch, nur die letzte Sequenz dröselt das dichte Geschehen etwas auf. Der Monolog scheint Kristina Nel auf den Leib geschrieben; die Regie stammt von Stefan Saborowski. Spannend wird der Abend dadurch, dass Nel die Personen, die sie imitiert - ihren ständig rauchenden Mann, die vermeintlichen Freunde, die sie bemitleiden, ihre entsetzte Familie mit der schwerhörigen Oma-köstlich überzeichnet bis hin zur absoluten Karikatur.
So steht sie nach der Pause als grinsender Kopf in der berühmten Fotografie von Marilyn Monroe über dem New Yorker UBahn Schacht und lispelt zu Säuselklängen mit der Stimme der Geliebten: «Es ist so schön, einen Mann im Haus zu haben.» Dann ertönt sein sonorer Bass: «N‘Abend, Schatz; was gibt‘s zu Essen?» Sie wieder säuselnd: «Soll ich Dir eine Büchse Ravioli aufmachen?»
BEA BERCZELLY