< Pressestimmen: Der Geizige

Charmanter Geizhals läuft zur Höchstform auf

Am Schluss gibt es ein kinoseliges Happy End, eine Doppelhochzeit der jungen Liebespaare. Aber das muss erst mal erstritten, erkämpft, erlitten werden. Mit Molières „Der Geizige“, einer Komödie um Geld und Liebe, startet die Helmut Förnbacher Theater Company in die neue Spielzeit in der Theaterhalle im Badischen Bahnhof Basel. Ein Klassiker, der heute meist „modern“ inszeniert wird.

Helmut Förnbacher, der das Stück selbst aus dem Französischen neu, flüssig und sprachlich frisch übersetzt hat, spielt die Komödie in alten barocken Kostümen, wie das heute kaum noch ein Theater macht. Da wird also nicht radikalisiert, wie jüngst am Deutschen Theater Berlin. Das Lehrstück über die zersetzende Kraft des Mammons ist auch als barockes Perückenstück dank dem jugendlichen Elan in der Besetzung und den altgedienten Ensemblestars attraktiv.

Förnbacher selber als charmanter Geizhals in der Hauptrolle – er führt natürlich wieder Regie – macht als unglaublicher Springinsfeld den jungen Herren Konkurrenz. Ah, da kommt er wieder durch die Kulisse auf die Bühne. Mon Dieu! Helmut Förnbacher hopst, springt, duckt sich, teilt aus, wippt mit den Beinen, geht in die Knie, wirft die Arme hoch, macht Kratzfuß, prustet ständig: „Mein Geld ist weg!“. Er schnappt nach Luft, und immer wenn er die Klospülung hört, kriegt er Schweißausbrüche und rennt auf die Mansarde, wo der Geldkoffer versteckt ist („Moment, ich bin gleich wieder hier“) - ein witziger running gag.

Förnbachers Harpagon schreit, jammert, bettelt um seine verschwundenen Louisdors. Diesem Schauspieler glaubt man sein Alter nicht, denn er spielt mit einem solchen Überdruck und ist den Abend über in körperlichem Dauereinsatz, hypernervös, voller Energie, explodiert irgendwann geradezu und verdächtigt – ein netter Regie-Gag – ständig das Publikum. Man merkt, Förnbacher liebt Molière, und das Förnbacher-Theater hat ja schon in der Vergangenheit einige Molières gemacht. Helmut Förnbacher traut seinem großen schauspielerischen Können und Molières Genie. Da muss er nicht im Volksbühnen-Stil inszenieren...

Gegen seine Dauerüberdrehung müssen die anderen erst mal anspielen. Das gelingt Falk Döhler, der schon als junger Faust und als Harold (in „Harold und Maude“) wunderbar agiert, ganz besonders gut. Man drückt seinem Cléante alle Daumen, dass er die geliebte Mariane (Laurence Schnyder) dem Vater wegschnappen kann. Der junge Mann mit dem offenen Gesicht und den wachen Augen spricht einem aus der Seele, wenn er über den Vater, diesen alten Geizkragen, verliebten Gockel und eitlen Geck, herzieht (und der am Ende nur eine Wahl hat: Geld oder Frau).

Zwischendurch gibt es in dieser sich aufs Wesentliche konzentrierenden Inszenierung das große Stühlerücken. Auf der Bühne stehen als einzige Requisiten vornehme Theaterstühle, die ständig in eine neue Position gebracht werden – stets passend zur Szene. Was Förnbacher noch ausspielt, ist der Generationenkonflikt. Vater und Sohn geraten schwer aneinander, die Tochter weniger. Papa denkt nur ans Geld, die Kinder wollen heiraten.

Da kommt die Kupplerin zupass (Kristina Nel als elegante Madame Pompadour-Erscheinung ). Auch Diener Jacques (Ensemble-Doyen Dieter Mainka) schimpft trocken-verschmitzt über die verdammte Knauserei seines Herrn. Neue Gesichter in der Compagnie sind neben Schnyder noch Michèle Bielser als etwas züchtige mädchenhafte Tochter Elise und der Schauspieler Simon Matt (Sänger der Band „Locos Estúpidos“) als Valère, eine Entdeckung.

Zu guter Letzt, wenn sich die Paare zu sentimentaler Filmmusik in einer rührenden Schlussszene kriegen, gibt sich der Theatermann Helmut Förnbacher endlich als Filmregisseur zu erkennen. Der Abend geizt also nicht, sondern ist im theatralischen Ausdruck sogar höchst verschwenderisch.

Jürgen Scharf