Alles ist gerichtet für ein nettes Abendessen im Familien- und Freundeskreis. Die Dame des Hauses hat ein marokkanisches Buffet vorbereitet, die Gäste haben es sich auf bunten Sitzkissen bequem gemacht. Da taucht Vincent auf, der bald Vater wird, und lässt die Runde raten, wie er seinen Sohn nennen will. Adrien vielleicht? Albert? Achilles? Nein. Adolphe soll er heissen. Nach einer französischen Romanfigur. Ungläubiges Entsetzen. Wie bitte? Adolphe? Das hört sich an wie Adolf, "für das Ohr ist es dasselbe". "Du kannst deinen Sohn nicht wie Hitler nennen! Das ist eine üble Provokation", empören sich Vincents Freunde. Die Situation eskaliert, es wird hitzig debattiert.
Bald stellt sich heraus, dass sich Vincent nur einen schlechten Scherz erlaubt hat und sein Sohn tatsächlich Henri heissen soll. Und doch ist der erbitterte Streit um den Vornamen Auslöser einer veritablen Familien- und Ehekrise, in der unbequeme Wahrheiten und Geständnisse auf den Tisch kommen. Die Gesellschaftskomödie "Der Vorname" des französischen Autorenduos Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière, mit der die Saison im Förnbacher Theater im Badischen Bahnhof Basel begann, ist ähnlich aufgebaut wie die Erfolgsstücke von Yasmina Reza: Es spielt in bürgerlichen Kreisen in Paris, im Milieu eines gut situierten liberalen Intellektuellen-Paares: Elisabeth ist Lehrerin, ihr Mann Pierre Literaturprofessor; ihr Freund Claude ist Musiker, Elisabeths Bruder Vincent ein schwerreicher Immobilienhai, seine junge Freundin Anna Modeschöpferin. Man trifft sich in der stilvollen Wohnung mit Blick auf den Eiffelturm.
Helmut Förnbacher inszeniert mit seiner Theater Company dieses gesellschaftskritische Salonstück effektvoll im dramaturgischen Spannungsbogen: Es beginnt komödiantisch locker und endet in handgreiflichen Szenen mit bitteren Abrechnungen: die reinste Zimmerschlacht am kalten Buffet. Sehr schön ist die Idee, dass eine Erzählerstimme aus dem Off die Figuren einführt, sie vorstellt mit all ihren Eitelkeiten und Marotten. Die Erzählerstimme gehört Förnbacher selbst, der die Hauptfigur Vincent spielt. Lässig charmant im Auftreten und in den Gesten, weltmännisch, selbstsicher, immer einen süffisanten Spruch parat, so gibt er den erfolgsverwöhnten Geschäftsmann. Philipp Steiner verkörpert seinen Schwager Pierre als intellektuellen Kopfmenschen, der überzeugend in Rage geraten kann und Vincent verbal in die Zange nimmt.
Grossartig durchlebt Kristina Nel in der Rolle der Elisabeth ein Auf und Ab der Gefühle. Zuerst ist sie die fürsorgliche Ehefrau und Gastgeberin; doch irgendwann verliert sie die Fassung, will nicht mehr die nette Babou sein, sondern lässt in einem lautstarken Gefühlsausbruch ihre Frustration, ihre Wut auf den Ehemann, den Freund und Bruder, von denen sie sich hintergangen fühlt, endlich raus – eine starke Szene. Auch Nic Aklin als schöngeistiger Musiker Claude lässt irgendwann tief in seine sensible Künstlerseele blicken. Die hervorragenden Schauspieler des Ensembles schaffen es in der Milieustudie, die labilen Charaktere, die Abgründe hinter der vornehmen Fassade, entlarvend und mit pointiertem Spiel auf die Bühne zu bringen.
Badische Zeitung Roswitha Frey