"Kleine Eheverbrechen" im Förnbacher Theater: Krimi, Liebesgeschichte und Ehedrama.
Ein Mann, eine Frau und viele offene Fragen. Wer von beiden lügt, wer macht dem anderen etwas vor, wer täuscht den anderen hinterlistig? Diese Fragen schweben immer im Raum, wenn sich Lisa und Gilles als Protagonisten in dem Stück "Kleine Eheverbrechen" von Eric-Emmanuel Schmitt belauern, küssen, streiten, trennen und wieder versöhnen.
Ein raffiniert gestricktes Stück des französischen Erfolgsautors, das im Förnbacher Theater in der Theaterhalle im Badischen Bahnhof Basel als atmosphärisch dichtes, psychologisch spannendes Ehe-Drama auf die Bühne kommt. Helmut Förnbacher, der auch Regie führt, und Kristina Nel, auch im richtigen Leben ein Ehepaar, spielen nuancenreich und emotional vielschichtig dieses verheiratete Paar, das sich in ein Netz von Lügen, Täuschungen und Verdächtigungen verfängt.
Der Theaterraum ist aufwändig ausgestattet mit einer herrschaftlichen Treppe, Sofas, Sesseln, Bücherregal und einem Klavier. In diesem noblen Ambiente ist Gilles, Autor von Kriminalromanen, zu Hause. Und doch fühlt er sich wie ein fremder Besucher, als er mit dem Koffer in der Hand seine Wohnung betritt. Denn er hat bei einem mysteriösen Unfall das Gedächtnis verloren, kann sich nicht daran erinnern, was passiert ist. Selbst seine Ehefrau Lisa ist für ihn plötzlich eine schöne unnahbare Fremde. Bruchstückhaft will Gilles seine verlorene Identität, sein verloren gegangenes Leben wieder zusammensetzen. Doch er hat Angst vor dem, was er über sich erfährt. Wie ist er als Ehemann? War er treu, wie war das mit der körperlichen Anziehungskraft nach 15 Jahren Ehe? Seine Frau Lisa soll die Erinnerungslücken auffüllen und ihm etwas über ihr Zusammenleben erzählen.
Ein Vexierspiel beginnt, bei dem in der Schwebe bleibt, was der Wahrheit entspricht oder was Wunschdenken ist. Aus dem vorsichtigen Taxieren, dem behutsamen Annähern des Paares wird immer mehr ein psychologisch abgründiges Spiel. Die brillanten, scharfen Dialoge, das emotionale Hin und Her zwischen dem Paar, das sich einerseits zärtlich zugetan ist in langjähriger Vertrautheit, sich andererseits in einer Art Hassliebe und Eifersucht verbal aufreibt: Das großartige Darsteller-Paar Förnbacher und Nel steigert sich immer stärker in diese doppelbödigen Szenen einer Ehe hinein, die immer neue Falltüren öffnen.
Kristina Nel als Lisa offenbart in ihrem feinnervigen Spiel auch schonungslos die Probleme einer langjährigen Ehe und die Ängste, Hoffnungen, Träume und Abgründe hinter der Fassade der gut situierten Gattin. Sie kann rätselhaft sein, anziehend und bestrickend, dann wieder abweisend, kühl. Helmut Förnbacher bewahrt als Gilles in dieser ehelichen Zerreißprobe einen einnehmenden Charme in der Rolle dieses intellektuellen Schriftstellers. Überzeugend in den wechselnden Momenten von Verwirrung, Furcht, Eitelkeit und selbstgefälliger Männlichkeit spielt Förnbacher diesen Mann, der nicht mehr weiß, wer er ist und seine Existenz rekonstruieren muss. Irgendwann hat man das Gefühl, er täusche die Amnesie vor, um seine Frau aus der Reserve zu locken. Wenn die beiden ihre erste Begegnung nachspielen, in der er sich magisch von der unbekannten Schönen angezogen fühlt, dann sind die Gefühle so stark wie einst und es knistert wieder so richtig. Erst liegen sie sich in den Armen, im nächsten Moment liefern sie sich einen erbitterten und zynischen Schlagabtausch, der auch voller Ironie steckt. Das Stück ist eine Mischung aus Krimi, Liebesgeschichte und Ehedrama, das Psychogramm einer Ehe, das die Zuschauer bis zum Schluss im Ungewissen und in Spannung hält.
Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung.
von: Roswitha Frey